ESG Risk

ESG-Risikomanagement im Aufsichtsfokus: Was kleine und mittlere Institute jetzt wissen und umsetzen müssen – Teil 2

Stefan Fritz

Stefan Fritz

Senior Consultant

 Thomas Maul PPI AG

Thomas Maul

Manager Banksteuerung und Regulatorik

  • 12.06.2025
  • Lesezeit 5 Minuten
ESG-Risikomanagement im Aufsichtsfokus - Teil 2
Key Takeaways
  • Institute können ESG-Risiken systematisch bewerten – von Sektoranalysen zur Ableitung eines praxisnahen ESG-Scorings.

  • ESG-Risiken können effizient in bestehende Prozesse wie ICAAP integriert werden.

  • Eine differenzierte Betrachtung von Bestands- und Neugeschäft ist entscheidend für eine zukunftsfähige ESG-Risikosteuerung.

Nach dem ersten Teil ist dies nun die Fortsetzung unseres Beitrags mit Blick auf das ESG-Risikomanagement. Im zweiten Teil wollen wir auf die Bewertung und die Steuerung von ESG-Risiken eingehen, um Risikomanagern einen umfassenden Überblick zu geben, wie sie ESG-Aspekte ganzheitlich in ihr Risikomanagement integrieren können.

ESG-Risiken systematisch bewerten – pragmatisch statt komplex

Viele kleinere Institute schrecken vor der ESG-Risikobewertung zurück – zu Unrecht. Die 7. MaRisk-Novelle lässt viel Methodenfreiheit, solange die Ansätze plausibel, zukunftsgerichtet und quantitativ nachvollziehbar sind. Ein praktikabler Bewertungsrahmen umfasst:

  • Branchen-Risikosegmentierung: Zunächst Fokus auf ESG-sensible Branchen, z. B. laut Klimaschutzgesetz. In Anlage 1 bzw. 2a listet es die Sektoren auf, die aus Klimaschutzsicht im Fokus stehen und deren Jahresemissionsmenge signifikant sinken soll (siehe Grafik).
  • Eintrittswahrscheinlichkeit: Nutzung vorhandener Datenbanken wie NGFS (Network for Greening the Financial System) oder die PRI-Initiative „Inevitable Policy Response“ zur Bewertung physischer und transitorischer Risiken.
  • Finanzieller Impact: Abschätzung über Schadensfälle, Sanktionen, Gerichtsurteile oder Kapitalmarktdaten. Bei schwer quantifizierbaren Risiken auch qualitative Bewertung, z. B. Lizenzverluste in bestimmten Märkten aufgrund ESG-Nichteinhaltung.
  • Risikoindikatoren auswählen: Pflicht sind THG-Daten; bei weiteren ESG-Risiken helfen Kennzahlen z. B. aus EBA-Leitlinien oder Anlage 1 des technischen Regulierungsstandards der Offenlegungsverordnung.
  • Szenarien modellieren: Einfache „What-if“-Analysen mit Fokus auf konkrete Risiken. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen physischen und transitorischen Risiken. Die Analyse sollte nicht zu viele Parameter umfassen, um die Komplexität beherrschbar zu halten. Es ist sinnvoll, den Ort des Risikos und konkrete Folgen anzugeben. Risikomanager sollten bereits jetzt den Einfluss der ETS-II-Erweiterung auf Verkehr und Immobilien beachten, etwa die Bonität der Kreditnehmer und die Werthaltigkeit von Sicherheiten wie Immobilien und Fuhrparks prüfen.
  • ESG-Scoring ableiten: Ergebnisse können in ein ESG-Risikoscoring überführt und zur Steuerung genutzt werden.

Anlage 2a des Klimaschutzgesetzes:

Effiziente Steuerung der ESG-Risiken

Die 7. MaRisk-Novelle lässt bei der Steuerung von ESG-Risiken viel Spielraum. Statt paralleler Steuertools sollten ESG-Aspekte in bestehende Instrumente wie ICAAP (Internal Capital Adequacy Assessment Process) und Risikotragfähigkeitsanalyse integriert werden. Auf Basis von Risikoappetit und Limiten ist zu definieren, in welchem Umfang Aktivitäten aus ESG-Sicht tragbar sind – dokumentiert in einer internen ESG-Richtlinie.

Differenzierung Bestands- vs. Neugeschäft

Eine erstmalige ESG-Bewertung kann bestehende Positionen als risikoreicher identifizieren, wenn bestimmte Positionen im Portfolio aufgrund eines schwachen ESG-Risikoprofils ein höheres Gesamtrisiko aufweisen. Ggf. sind diese Positionen nicht mehr mit der um ESG-Risiken erweiterten Risikostrategie des Finanzinstituts vereinbar. Nicht alle lassen sich kurzfristig veräußern. Deshalb ist zwischen Bestand und Neugeschäft zu unterscheiden – unter Berücksichtigung der Anlageklassen-spezifischen Steuerungsmöglichkeiten.

a) Bestandsgeschäft

Schnelle Verkäufe sind meist nur bei liquiden Anlagen wie Aktien möglich. Illiquide Investments, etwa Anleihen aus fossilen Sektoren, lassen sich selten wertschonend verkaufen. Stattdessen empfiehlt sich ein sukzessives Auslaufen (Phasing-Out) dieser Positionen, festgelegt in der ESG-Richtlinie.

Kreditpositionen sind nicht handelbar und oft langfristig. Als Instrument bieten sich hier Heatmaps an, welche transparent aufzeigen, ob ein Kreditnehmer die wirtschaftliche Kraft hat, sein schwaches ESG-Risikoprofil zu verbessern. Mit diesen Unternehmen kann ein Finanzinstitut den direkten Dialog suchen („Stakeholder Engagement“) und mittels Absprache gezielter Klimamaßnahmen bei der Transition begleiten. Schwache Klimabilanzen bei schlechter Bonität können dagegen „Stranded Assets“ sein.

Das geänderte Risikoprofil muss institutsweit gesteuert werden: Übersteigen Risiken die Sicherheiten, sind Maßnahmen wie Kreditüberwachung, Sicherheitenanpassung und Rückstellungen erforderlich. Auch Produktkalkulationen sollten auf angemessene Risikokosten geprüft werden.

b) Neugeschäft

Zunächst ist zu prüfen, ob Unternehmen mit den ESG-Risikolimiten der Risikostrategie vereinbar sind. Sind in der ESG-Richtlinie bestimmte Kriterien festgelegt, z.B. Ausschluss bestimmter Branchen oder Grenzwerte zu maximalen Treibhausgasemissionen, so ist deren Einhaltung zunächst abzuprüfen.  Anschließend sind ESG-Scores anzuwenden: Nur Unternehmen mit Mindestscore gelten als investierbar. Bei Grenzfällen kann ein Stakeholder-Dialog sinnvoll sein.

Bei Neukrediten sollten ESG-Scores in die Kreditentscheidung einfließen. ESG-bezogene Auflagen (Covenants) können verpflichtende Maßnahmen für den Kreditnehmer festlegen. Das ESG-Scoring sollte integraler Bestandteil der Kreditvorlage sein.

Maßnahmen auf einen Blick

Fazit

Das Management von ESG-Risiken wird Risikomanager in den kommenden Jahren zunehmend beschäftigen. Die steigende Relevanz physischer und transitorischer Risiken ist bereits heute absehbar. Die Auswirkungen dieser Risiken sowie die aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfordern einen ganzheitlichen und stringenten Ansatz, der die besonderen Gegebenheiten des Instituts sowie die individuelle Struktur des Anlage- und Finanzierungsportfolios berücksichtigt. Entscheidend ist ein pragmatisches Vorgehen: Risikomanager sollten Prozesse und Methoden nutzen, die für die Größe des Instituts angemessen sind. Der Fokus sollte dabei zunächst auf den aussagekräftigsten Klimarisiken liegen, ergänzt um geschäftsrelevante Umwelt- und Sozialaspekte. Dabei ist die gesamte Wertschöpfungskette zu beleuchten. Geschäftsleiter und Risikomanager sollten ESG-Risiken regelmäßig adressieren und in bestehende Prozesse integrieren. Dieses Vorgehen ist aus unserer Sicht der Königsweg, um ein stabiles Portfolio zu managen und die weiter zunehmenden Compliance-Vorgaben zu meistern.

Gerade kleine und mittlere Institute stehen vor der Herausforderung, ESG-Risiken sinnvoll in ihre Prozesse einzubinden – wir unterstützen Sie dabei mit praxisnahen Lösungen. Sprechen Sie uns einfach an.

Verfasst von

 Thomas Maul PPI AG

Manager Banksteuerung und Regulatorik

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